Fotogalerie: Das Planspiel am 19. Juli 2015 in Bildern
20 junge Menschen aus ganz Hessen folgten am Sonntag, dem 19. Juli 2015, der Einladung zu unserem Planspiel zur EU-Asyl- und Migrationspolitik und kamen bei hochsommerlichen Temperaturen an die TU in Darmstadt, um sich der Herausforderung zu stellen.
Aktueller Bezug: Ist die EU nicht fähig zu einer gemeinsamen Lösung?
In regelmäßigen Abständen steht die EU-Asyl- und Migrationspolitik im Zentrum der Medienaufmerksamkeit und ist Gegenstand kontroverser öffentlicher Debatten. Flüchtlingstragödie folgt auf Flüchtlingstragödie, ohne dass echte Fortschritte erkennbar wären. Es scheint, als sei die EU unfähig, zu einer gemeinsamen Lösung zu finden, mit der die Herausforderungen in der Asyl- und Migrationspolitik bewältigt werden könnten. Der Frage, warum das so ist, wollten wir bei unserem Planspiel auf den Grund gehen.
Das Szenario des Planspiels
Konstantin und Marcel stellen den Teilnehmern das Planspiel-Szenario vor
Angesiedelt war das Planspiel in Euphoria – einem an die EU angelehnten, fiktiven Staatenverbund, bestehend aus den Staaten Kolmula, Narnia, Opifera und Saaksama (siehe Karte). Im Angesicht einer durch Krisen in mehreren Nachbarländern ausgelösten Flüchtlingswelle kamen Vertreter der vier Mitgliedsstaaten Euphorias zu einer Konferenz zusammen, um über mögliche Maßnahmen zu beraten. Begleitet wurden die Beratungen von zwei Lobbyorganisationen, die versuchten, Einfluss zu nehmen: Da war auf der einen Seite die Organisation Refugium, die sich für die Belange der Flüchtlinge einsetzte, und auf der anderen Seite die rechtspopulistische Bewegung EUNA („Euphoria der Nationen“). Das Ziel der Verhandlungen unter der Leitung des Sekretariats von Euphoria war die Verabschiedung einer gemeinsamen Resolution.
Von Pressekonferenzen und Anhörungen…
Narnia fordert mehr finanzielle Unterstützung von den anderen Mitgliedsstaaten
Nachdem die Teilnehmergruppen die Positionen ihrer Staaten bzw. Lobby-Organisationen festgelegt und sich Verhandlungsstrategien zurechtgelegt hatten, schilderten sie in Pressekonferenzen ihre jeweilige Perspektive und legten ihre Positionen dar. So berichtete Narnia, das aufgrund seiner geographischen Lage mit einem besonders hohen Zustrom von Flüchtlingen konfrontiert war, von einer Ghettoisierung der Flüchtlinge im Land und massiven Problemen bei der Integration.
Die erste Verhandlungsrunde der Vertreter der Staaten Euphorias begann mit der Anhörung eines Vertreters von EUPHOREX, der Grenzschutzagentur des Staatenverbundes, sowie von Vertretern der beiden Lobbyorganisationen Refugium und EUNA.
Die Vertreter der Organisation Refugium: Lobbyarbeit zugunsten der Flüchtlinge
Die Organisation Refugium verlangte einen Schlüssel zur Verteilung der Flüchtlinge auf alle Staaten Euphorias und schlug die Einrichtung eines gemeinsamen Fonds vor. Neben dem Ausbau legaler und sicherer Transportwege durch EUPHOREX, sollten laut Refugium zukünftig Flüchtlinge ohne vorherige Selektion aufgenommen werden. Immer wieder appellierte die Flüchtlingsorganisation an die Menschlichkeit der Delegationen, um die technischen Details der Vorschläge nicht die Debatte dominieren zu lassen.
Die Lobby-Organisation EUNA hingegen setzte sich vor allem für die (schnelle) Abschiebung der “kriminellen” Flüchtlinge aus Euphoria ein und wetterte gegen die vermeintliche Islamisierung des Staatenverbundes.
https://twitter.com/Julestowngreen/status/622741991386955776
…zu konkreten Anträgen
Saaksama stellt sich quer: Keine höhere Aufnahmequote aus Angst vor den Populisten im eigenen Land
Nach intensiven Beratungen in der offiziellen Runde und informellen Gesprächen im kleinen Kreis, bei denen die Delegationen um Unterstützung für ihre Positionen warben, kristallisierten sich zwei Antragsparteien heraus:
Die Staaten Saaksama und Kolmula legten einen Antrag vor, der die Lösung der Flüchtlingsfrage außerhalb Euphorias ansiedelte, z.B. durch ein Aufnahmelager in Transira, einem Land auf dem Nachbarkontinent außerhalb des Staatenverbundes, sowie durch finanzielle Unterstützung für die Krisenbekämpfung. Für die Berechnung der Verteilung der Flüchtlinge auf die Staaten Euphorias sollten Faktoren wie die Einwohnerdichte und die bereits aufgenommene Zahl an Flüchtlingen in absoluten Zahlen herangezogen werden.
Opifera pocht auf eine tragfähige Lösung
Opifera legte in Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsorganisation Refugium anschließend einen Antrag vor, der auf eine menschenwürdigere und gerechtere Behandlung der Flüchtlinge mittels einer Erstaufnahmestelle in Transira und einer Notaufnahmestelle in Narnia abzielte. Darüber hinaus sah der Antrag eine Verteilung der Flüchtlinge auf alle Staaten Euphorias nach einem Schlüssel vor, der die Faktoren Bevölkerungszahl, Fläche und Wirtschaftskraft berücksichtigen sollte. Für dieses Vorhaben sollte eine zentral finanzierte, euphorische Registrierungsstelle geschaffen werden.
Ganz wie in der EU: Die Verhandlungen dauern länger als geplant
In der heftigen Debatte ziemlich gefordert: Das Sekretariat des Staatenverbundes Euphoria
Nach einem Schlagabtausch in der Debatte, welche Vorgehensweise die richtige sei und auf die Bedürfnisse aller Staaten des euphorischen Staatenverbundes Rücksicht nehme, wurde deutlich, dass man ohne die Zustimmung Saaksamas keine Resolution würde verabschieden können. Dafür war das Stimmengewicht des bevölkerungsreichsten Landes innerhalb Euphorias zu gewaltig. Nachdem deutlich wurde, dass keiner der beiden Anträge in Gänze eine Mehrheit finden würde, entschied man sich für eine Abstimmung über die einzelnen Punkte beider Anträge im Plenum. Anschließend fügte man die verabschiedeten Punkte zu einem neuen Antrag zusammen, welcher dann den Delegationen zur Beratung vorgelegt wurde. Nach Ergänzungen und detailreichen Umformulierungen wurde der finale Antrag vom Sekretariat des Staatenverbundes zur Abstimmung gestellt und mit einer Mehrheit – nicht jedoch einstimmig – verabschiedet. Es gelang den vier Staaten letzten Endes, trotz aller Differenzen einen Kompromiss zu finden und eine für alle Länder des euphorischen Staatenverbundes bindende Resolution (hier abrufbar) zu verabschieden.
Diskussionsrunde mit Vertretern der Parteijugendorganisationen
Im Anschluss an das Planspiel wurde die Brücke zur aktuellen Politik geschlagen: In einer abschließenden Diskussionsrunde konnten die Teilnehmer mit dem Bezirksvorsitzenden der Jungen Union Südhessen, Thomas Schaumberg, und der Kreisvorsitzenden der JuLis Darmstadt, Leonie Fliess, als Vertreter der Parteijugendorganisationen über die Asyl- und Migrationspolitik der EU diskutieren und dabei die Erkenntnisse nutzen, die sie zuvor im Planspiel durch den Perspektivenwechsel gewonnen hatten.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Planspiels
Die Veranstaltung kam bei den Teilnehmern gut an und die Schwierigkeit der Lösungsfindung auf europäischer Ebene konnte anhand des Planspiels gut verdeutlicht werden. Trotz aller Seriosität des Themas gab es angenehme Gespräche, bei denen man zu Getränken und einem Imbiss auch die anderen Teilnehmer besser kennenlernen und verstehen lernen konnte. Denn wenn uns das Planspiel eines gelehrt hat, dann, dass man als Staat nicht einfach einen Vorschlag machen kann, ohne sich vorab in die Lage der jeweils anderen Staaten und Interessengruppen hineinzuversetzen. Gemeinsames Handeln erfordert auch Empathie und die Bereitschaft, auf andere zuzugehen – auch wenn man dabei von seiner eigenen Position abrücken muss.
Text: Tilmann Hartung
Redaktion: Marcel von Collani